Zwischen den Linien
Linienrichter Kai Jürgens: Nach Herz-OP als Kind kam die Entscheidung, die Karriere neben dem Eis in der Herzforschung zu finden
Kai Jürgens kennen wir in der PENNY DEL von seiner Arbeit zwischen den Linien. Seit 6 Jahren ist der gebürtige Krefelder als Linesman im deutschen Oberhaus unterwegs. Daneben studierte der 25-Jährige Biologie in Osnabrück. Aktuell arbeitet er an seiner Doktorarbeit im Fachbereich Zoologie/Entwicklungsbiologie und das in Zusammenarbeit mit der Klinik, in der er im Jahr 2001 selbst am Herzen operiert wurde.
„Ich hatte einen angeborenen Herzfehler und das musste damals korrigiert werden, um weiterzuleben.“, erklärte Kai Jürgens und ergänzt: „Das Interesse an der Biologie war immer da und als ich die Möglichkeit sah, an diesem Projekt zu arbeiten, war ich sofort begeistert.“
Angestellt ist der Doktorand an der Universität Osnabrück und forscht in Kooperation mit dem Herz- und Diabeteszentrum NRW, Bad Oeynhausen an einer Erbkrankheit, die insbesondere bei jungen Männern zum plötzlichen Herztod führt. Ursache ist eine Mutation im Gen TMEM43. Eine Therapie gibt es dafür aktuell nicht, aber das soll sich nach dem Willen von Jürgens ändern: „Es ist ein langer Weg bis zu potenziellen Therapieansätzen, aber wir arbeiten daran, die Grundsteine dafür zu legen. Die Mechanismen sind komplex, aber wir sind auf einem guten Weg, sie Stück für Stück zu entschlüsseln. Man weiß auf jeden Fall, wofür man zur Arbeit geht.“
Insbesondere der Ansatz der Forschung in Osnabrück ist interessant. „Wir erforschen die Mutation mithilfe der Fruchtfliege. Das klingt vielleicht erstmal erstaunlich, ist aber durchaus gut begründet. Als Modellorganismus ist sie in der Forschung lange etabliert, aber viele Menschen können sich nicht vorstellen, wie ähnlich die zellulären Abläufe im Vergleich zu unseren sind. 70% aller erblich-bedingten Krankheiten des Menschen gibt es in ähnlicher Form auch in Fruchtfliegen. Außerdem bietet die Fruchtfliege einzigartige Möglichkeiten der genetischen Manipulation, wovon die Forschung sehr profitiert.“
"Ich habe das große Glück, diese beiden Leidenschaften in meinem Alltag kombinieren zu können. Versuchen, Leuten zu helfen und dem Eishockey verbunden bleiben.“
Kai Jürgens
Zum Abschluss sagte Kai Jürgens mit Blick auf seinen Werdegang: „Die Herz-OP als Kind war ein tiefer Einschnitt in mein Leben, der mich auch nach der OP noch lange begleitet hat. Nun kann ich jedoch auf die Zeit zurückschauen und daraus Motivation für meine jetzigen Aufgaben auf und neben dem Eis ziehen. Ich habe das große Glück, diese beiden Leidenschaften in meinem Alltag kombinieren zu können. Versuchen, Leuten zu helfen und dem Eishockey verbunden bleiben.“
ÜBER TMEM43
Die Mutation im TMEM43-Gen bewirkt, dass im fertigen Protein eine einzelne Aminosäure falsch eingebaut wurde. Diese Mutation tritt zwar eher selten auf, hat aber gravierende Folgen für ihre Träger. Bei Männern führt sie zu einem Herzversagen und fast immer zu einem plötzlichen Herztod, oft schon im Alter von 20-40 Jahren. Bei Frauen ist die Gefahr aus bislang unbekannten Gründen deutlich geringer. In Osnabrück wurde die Mutation, die beim Menschen zum Herztod führt, in das Fliegengenom eingebracht.
„Wir haben teilweise eine exakte Spiegelung des menschlichen Verlaufs der Krankheit“, sagt Kai Jürgens. „In meiner Doktorarbeit versuche ich nun herauszufinden, was die Ursachen sind, um so zu einem Verständnis für die Mechanismen der Mutation zu entwickeln, die dann langfristig für Therapieansätze genutzt werden können.“
Weiterführende Links
ZEIT
Herztod: Die Abschaffung des Infarkts
Universität Osnabrück
Zoologie und Entwicklungsbiologie