„Dafür nehme ich gerne ein Pfeifkonzert in Kauf“

PENNY DEL-Schiedsrichter Lasse Kopitz im Interview

Sie stehen beinahe jeden Abend im Rampenlicht, müssen Entscheidungen treffen und sind für die reibungslose Leitung eines Spiels verantwortlich. Aber auch für die Schiedsrichter der PENNY DEL hat sich in der aktuellen Saison aufgrund der Corona-Situation einiges verändert. Was genau das ist, berichtet uns Lasse Kopitz aus seiner Sicht. Der frühere Eishockeyprofi pfeift seit inzwischen drei Jahren als Profi-Schiedsrichter in Deutschland, auch in der Champions Hockey League (CHL) war Kopitz schon im Einsatz. Aktuell leitet der 40-Jährige drei bis vier Partien pro Woche.

Lasse, sowohl Spieler als auch Trainer sind sich einig: Die Zuschauer fehlen unserem Eishockeysport enorm. Euch Schiedsrichtern wird es da nicht anders gehen.

„Uns geht es da auch so, ja. Die Fans gehören einfach dazu. Das ist ein Arbeitsumfeld, an das man sich über die Jahre dran gewöhnt hat. Ich kenne es ja aus vielen Jahren nicht anders. Das fehlt einfach, es gehört zu dem Sport. Es gehört in die Halle, es gehört zur Atmosphäre. Das ist ja auch ein Grund, eine Herausforderung, wieso man den Job als Schiedsrichter macht: Ausnahmesituationen händeln zu können und dabei einen klaren Kopf zu behalten. Das fehlt einem schon, ja.“

Wie sieht eigentlich so eine Woche bis zum Spieltag aus bei euch, was hat sich vom Ablauf her verändert?

„Ich lebe während der Saison in einer eigenen Bubble und habe jegliche private Kontakte, bis auf die zu meiner eigenen Familie, eingeschränkt. Wir machen jede Woche unseren PCR-Test. Entweder bei dem Verein, der am nächsten im privaten Umfeld ist. Wir können aber auch, wenn wir unterwegs sind, bei anderen Vereinen nachfragen. Ansonsten halt über Testzentren oder beim Hausarzt. Außerdem müssen wir deutlich früher im Eisstadion sein und einzeln anreisen. Die Logistik ist insgesamt schwieriger geworden, Hotels werden coronabedingt immer wieder abgesagt. Und weil wir in diesem Jahr nur mit einem relativ kleinen Team an den Start gegangen sind, ist einfach unsere Frequenz deutlich höher. Es sind deutlich mehr Spiele. Am Spieltag werden wir mit einem Schnelltest getestet, das läuft dann über den Heimverein.“

Und was passiert, wenn der positiv ausfällt?

„Dann müssen wir ganz schnell das Telefon in die Hand nehmen und versuchen möglicherweise noch einen Ersatz zu bekommen. Sonst müssen wir das Spiel mit einem Mann weniger pfeifen.“

Schauen wir aufs Eis. Es gibt keine Zuschauer, die Atmosphäre fehlt komplett. Macht es das für euch einfacher, wenn es um das Treffen von Entscheidungen geht? Weil der Druck vielleicht weniger ist.

„Das sehe ich überhaupt nicht so. Ich habe nicht das Gefühl, dass es mir schwerer oder leichter fällt. Der Druck ist der gleiche. Der größte Druck ist der Leistungsdruck, den man sich selber auferlegt. Wenn die Eishalle voll ist, so geht es mit persönlich, ist die Geräuschkulisse laut. Aber man hört ja nicht jede Einzelheit auf dem Eis. Es ist sogar schwieriger, wenn man einzelne Kommentare in der Halle plötzlich hört. Weil man die dann etwas mehr wahrnimmt, als das gesamtlaute Bild. Ich muss das genauso ausblenden, als wären es 6.000 oder 16.000 Zuschauer. Aber ich kann da nur für mich sprechen, ich empfinde das so.“

Thema Kommunikation. Es ist verhältnismäßig leise in der Halle und man hört teilweise, wie alle Beteiligten auf dem Eis kommunizieren. Ein Vorteil?

„Es schont meine Stimme (lacht). Wenn das Stadion voll ist, werden uns die Spieler nicht so gut wahrnehmen. Aber wenn wir auf dem Eis miteinander kommunizieren, auch wenn das Stadion voll ist, kann man es in den meisten Stadien trotzdem hören. Nur jetzt ist es das erste Mal, dass es von außen gehört wird und es der normale Fan am Fernsehgerät möglicherweise zum ersten Mal wahrnimmt. Aber wir sind dafür da, dass das Spiel sauber und fair abläuft. Da gehört Kommunikation auf dem Eis absolut dazu.“

Würdest du sagen, dass sich das Verhalten der Spieler verändert hat? Besonders mit Blick auf Zweikämpfe und Emotionen.

„Ich finde, dass sich der Charakter des Spiels nicht geändert hat. Manchmal sind Spiele vielleicht etwas geordneter. Insofern, dass sich die Spieler untereinander mehr hören und vielleicht ein bisschen mehr in ihrem Spielsystem bleiben. Die Intensität und die Emotionen sind aber die gleichen. Durch die besondere Corona-Situation habe ich sogar manchmal das Gefühl, dass die Nerven noch ein bisschen blanker liegen.“

Kannst du das näher ausführen? Kommunizieren die Spieler jetzt anders mit euch?

„Nicht unbedingt. Es ist mehr eine Grundstimmung, die sich ein bisschen verändert hat. Die ist halt überall gleich, ob es im Sport ist oder woanders. Auch für die Spieler ist die Situation mit einem Jahr Corona mit Sicherheit nicht einfach. Das überträgt sich auf aufs Eis, das bemerke ich.“

Nun stehen bald die Playoffs an, aber auch die neue Saison ist bereits in Sicht. Was wünscht du dir für die kommende Spielzeit?

„Ich wünsche mir, dass wir eine ganz normale Saison spielen können. Dafür nehme ich auch gerne ein Pfeifkonzert in Kauf (lacht). Und dass sich Sportler in der PENNY DEL keine Sorgen um ihre Gehälter machen müssen und wie sie ihre Familien versorgen. Sowie auch alle anderen, die im Umfeld der Liga arbeiten. Ich wünsche mir einfach, dass der Eishockeysport wieder zum normalen Alltag übergehen kann. Bis hin in den Nachwuchs, der leider auch unter der Corona-Situation wirklich leidet.“

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