Quo vadis, KHL?

Eishockey-News-KHL-Experte Daniel Keienburg im Gespräch.

Welche Folgen hat der russische Angriffskrieg für das Eishockey im größten Land der Erde und damit auch für die vermeintlich zweitstärkste Liga der Welt - die KHL? Darüber haben wir mit Daniel Keienburg, einem ausgewiesenen Fachmann im russischen Eishockey, gesprochen. Bereits seit der Gründung der Kontinental Hockey League im Jahr 2008 begleitet der Experte die russische Eliteliga für verschiedene deutsche Medien. In einem ausführlichen Gespräch hat er mit uns einen Blick auf die Zukunft der Multinationenliga geworfen und sich der Frage gestellt: Quo vadis, KHL?

Gestartet mit dem Ziel einen Gegenpart zur nordamerikanischen NHL aufzubauen, der in möglichst vielen europäischen Ländern vertreten ist, konnte die Kontinental Hockey League in ihrer Hochphase 2013/2014 Mannschaften aus sieben Nationen unter einem Dach vereinen. Ganz reibungslos verlief die Integration der nicht-russischen Teams allerdings nicht, wie Keienburg weiß: „Als Jokerit Helsinki in der Liga angefangen hat, wurde das zunächst ziemlich kritisch beäugt.“ Die gute Stimmung, die die Fans des finnischen Klubs in die russischen Metropolen mitbrachten und die offene Art der Anhänger, die ihrem Lieblingsteam quer durch Russland hinterher gereist sind, hat jedoch schnell zu einer Verständigung geführt. „Das war schon, so hatte ich zumindest das Gefühl, durchaus eine verbindende Komponente, die natürlich jetzt in den letzten Jahren mit zunehmender Konfrontation immer weniger geworden ist.“

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So scheint es aktuell, als bleibe von der europäischen Multinationenliga nicht mehr übrig, als die bloße Idee, denn nach Beginn der russischen Angriffe auf die Ukraine haben sich viele Importspieler schnell aus Russland verabschiedet. „Die Spieler wollten wirklich nur noch nach Hause. Einige haben auch noch keine neuen Teams“, verrät Keienburg, der über die Zukunft ausländischer Spieler in der KHL keine Prognose treffen will. „Inwieweit die Liga generell für Importspieler überhaupt noch interessant ist, ist überhaupt nicht abzuschätzen.“ Klar ist jedoch, dass die Kontinental Hockey League sowohl für Importspieler, als auch für die einheimischen Akteure deutlich an Attraktivität verloren hat.

Doch nicht nur Importspieler haben der KHL den Rücken gekehrt, mit Dinamo Riga aus Lettland und den Finnen von Jokerit Helsinki sind sogar zwei komplette Teams aus den laufenden Playoffs ausgestiegen. Für Daniel Keienburg ein deutliches Indiz für ein nahendes Ende der internationalen Eishockeyliga: „Was ist das noch für eine Kontinental Hockey League, wenn es nur noch russische Teams gibt plus einen weißrussischen Vertreter und diese irgendwie komische chinesische Mannschaft.“ Auf die verbleibenden Mannschaften kommen aktuell auch noch finanzielle Hürden zu, da sich auch ausländische Sponsoren von den russischen Teams distanzieren. „Da musste man das Logo überkleben oder anderweitig unkenntlich machen.“

Von einem möglichen Zerfall der KHL würden europäische Nationalliegen und die Champions Hockey League profitieren, da sich nicht nur gute Spieler nach einem neuen Arbeitgeber umschauen, mit Jokerit könnte zudem ein spannender Traditionsklub in die CHL einsteigen.

Wie geht es nun also weiter für die angeschlagene Kontinental Hockey League? Eine genaue Prognose will der Fachmann nicht abgeben, fest steht für ihn aber: „Für die KHL geht es momentan ums nackte Überleben.“

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